... bevor der Winter kommt!
Vor ein paar Tagen las ich erneut meinen vor einem Jahr geschriebenen Blogeintrag über das Kreta-Seminar, da gerade jetzt wieder ein Seminar mit Brigitte dort stattfand. Ich las, mit etwas Wehmut und auch dem Wunsch nach Klarheit, Liebe und des Getragenseins, noch einmal in aller Ruhe die Zusammenfassung meiner Erinnerungen durch. Die Aufgaben und Fragen, die wir damals erarbeiteten, werde ich mir wieder genauer zu Herzen nehmen in den kommenden Tagen, denn die letzten Wochen waren erfüllt mit matschigen, belastenden Gefühlen und ich spüre die depressive Spirale wieder drohend in mir aufflammen. Es wird dringend Zeit, das Leben mal wieder zu umarmen !
Und auch wieder ein paar Zeilen in den blog zu schreiben.
Ein Abschied, der irgendwie doch überrascht, immer noch...
Das Thema 'Wege mit meinem Vater' im Kreta-Seminar kann ich nun ergänzen; mein Wunsch und das Gefühl der Hoffnung hatten mich ein wenig betrogen im September 2022... nach heftiger und schneller Verschlechterung ab Oktober 2022 verstarb mein Vater letztendlich am 14. Februar diesen Jahres – früher, als er sich je vorgestellt hatte. Und auch wir, obwohl der Krankheitsverlauf mir als Krankenschwester deutlich zeigte, wie es um ihn stand. Ohne zu weit auszuholen, kann ich nur sagen, dass leider nicht nur die Herzklappe, sondern auch das medizinische und emotionale Umfeld bei meinem Vater keinen unterstützenden und bleibenden Eindruck hinterlassen haben. Außer, dass er es nicht überlebt hat.
Wir erlebten noch ein paar sehr innige Momente, aber auch sehr schwere Zeiten, mit der unabwendbaren Situation von Krankheit und Verlust, den damit auftauchenden Schwierigkeiten, tiefverwurzelten Gefühlen und der Veränderung von Kraft und Stabilität zurechtzukommen.
Nun geht es hauptsächlich darum, meine Mutter zu begleiten in ihrer Einsamkeit und sie zu unterstützen, die anstehenden Aufgaben zu bewältigen, die seit seinem Tod auf sie einprasseln. Und auch als Kinder damit zurecht zu kommen, dass sie ihre Hoffnung minimal hält, noch einmal aufzuatmen und Leben und nicht nur die Erinnerungen zu spüren oder etwas mehr getragen zu werden durch neue Kontakte; denn alte Kontakte sind nicht immer wirkliche Freunde und Trauer und Trauma ist schwer zu tragen für die, die weitergehen wollen oder nicht hinsehen möchten. Die selbst-geschaffene Isolation in ihrem Umfeld ist wahrscheinlich das größte Problem, da meine Eltern sich wie in einem Kokon in einem Haus am Ende der Strasse eingewoben hatten, aus dem keine Schmetterlinge mehr kommen sollten.
Nun... dieses Jahr gab es kein Kreta-Seminar, obwohl ich es sehr gerne wahrgenommen hätte, dafür aber nach vier Jahren endlich wieder einen Urlaub mit Daniela. Wir konnten uns nach anfänglichem Geröll zwischen den Füßen endlich für einen Ort entscheiden und nach weiterem Staub im Getriebe fanden wir auch eine Unterkunft und passende Flüge, was nicht so einfach ist, wenn man aus zwei verschiedenen Ländern anreist. Am 11. August umarmte ich sie abends in Olbia/Sardinien endlich und schwitzend bei 30 Grad.
Doch lasst euch eines gesagt sein, was jeder normale Mensch eigentlich auch weiß und wir mit einer kleinen Hoffnung strikt aus unserem Gehirn verbannen wollten:
Fahre niemals im August in ein Gebiet, wo hunderte von Homo sapiens & Co sich am Strand zum Backfisch grillen lassen !
Als wir vor vier Jahren ein paar Kilometer weiter oben auf Korsika in einem traumhaften Chalet im Wald Urlaub machten, verlief unsere Zeit magisch ! Es war unser erster längerer Urlaub gemeinsam, wir flogen gemeinsam von Berlin los, es war Juli und angenehm milde besucht im touristischen Sinn, ich wurde 50 und es gab nichts, was uns in irgendeiner Form nicht gefallen hätte! Doch viel ist geschehen in der Zwischenzeit und auch das hat sicher unsere emotionalen Systeme überladen.
In der Summe des jetzigen Urlaubes kann ich nur sagen, wahrscheinlich liegen mir Franzosen mehr als Italiener (obwohl wir überwiegend auf sehr freundliche 'Sardinianer' trafen), das altertümliche mehr als das moderne und die traumhaften Buchten muss man im August einfach meiden; man wird konfrontiert mit Leibern, die sich zum Schrecken der Meereswelt alle gleichzeitig in das wabernde Blau stürzen oder halb im Wasser stehend 360 Grad Selfies machen, man besucht Geheimplätze, die allen bekannt und dadurch völlig überfüllt sind, watet durch sorglos weggeworfenen Müll in einst romantisch-südländischer Natur und blickt grimmig auf eine neue "Me-Too" Bewegung von virtuellem Übergriff: aufdringliche Drohnen, die einem in aller Ruhe den Bikini vom Leib scannten fuer die verhöhnenden oder einfach nur gaffenden Yachten-Bimbos in 30 Meter Entfernung.
Auch ist Sardinien sehr teuer. Im Grossen und Ganzen machten wir vielleicht nicht das Beste, aber das Wesentliche aus unserer Zeit, so wie wir es immer tun; Zeit miteinander als etwas sehr Kostbares geniessen, und gemeinsam die Gegend erkunden (meistens zu Fuß). Wir aßen aus Joghurt gemachtes hervorragendes Eis, beobachteten Menschen, Wildschweine, Landschildkroeten, Tattoos und Schafe und erzählten uns gegenseitig von den letzten Monaten.
Ich gönnte mir einen Tag Vespafahren um der alten Zeiten willen und habe dabei festgestellt, dass mir beim krampfhaften Versuch, alles richtig zu machen, fast die Finger abstarben - es hätte mich auch durchaus glücklicher gemacht, unseren Leihwagen eine ganze Woche zu behalten anstatt nur zwei Tage, doch die Preise hatten sehr angezogen - und der Besitzer des Apartment-Komplexes L'ea di Lavru zeigte inmitten seines italienischen Piloten-Charmes und der überaus detaillierten, mit Emojis überhäuften Informationen auch eine fuer mich nervige Selbstüberzogenheit. Vielleicht war ich aber auch einfach nur Anti.
Ja – es ist durchaus eine schöne Anlage mit interessanten architektonischen Einzelheiten, was uns ja auch anzog... aber man muss es nicht jede Sekunde erwähnen und vorführen.
Einerseits führte das bei uns zu einem milden Schmunzeln über ihn, seine italienischen Sprüche zu einem running gag ... "WHYYYYY – THERE IS NOTHING, NOOOOTHING"... aber andererseits hat es mich auch gestört. Er ging zeitlich und auch verbal manchmal über meine Grenzen. Aber ich spreche da nur für mich selbst, denn ich glaube, Daniela hat vieles dort und mit ihm mit einem wesentlich milderen, mitfühlenden Auge wahrgenommen als ich.
Vor nicht allzu langer Zeit sagte ich zu ihr nach einem unangenehmen Austausch in einem meiner Designjobs: "... ich glaube, je älter ich werde, desto bissiger werde ich manchmal..." und sie schrieb zurück: "... mein lieber kleiner Terrier... :-) !"
Wo auch immer es mich auf weitere Urlaube mit ihr oder alleine hinführt, mit Sicherheit nicht mehr nach Porto San Paolo auf Sardinien, welches durchaus ein angenehmes, modernes kleines Hafenstädtchen mit beeindruckendem Anblick auf die Insel Tavolara ist, nette kleine Restaurants und ausreichend Läden bietet und einen eigenen nicht verwerflichen Hausstrand vorweist.
Ich schaue jedoch mit einem wehmütigen Auge nach Kreta und Korsika durch die wohltuenden Erinnerungen und weiß eigentlich ziemlich genau, was mir gefehlt hat, was meinen Blick verschleiert... es war nicht die wunderbare Sonne, das Zirpen der Grillen, der wolkenlose blauen Himmel und auch nicht das sehr salzige, klare Meer, was an abgewaschenen sandfarbenen Felsen abperlt...
Es war das Fehlen von Selbstliebe und Mitgefühl in mir !
Und in diesem Zustand gab es fuer mich eher schwerfallende Urlaubs-Neugier, weniger Entspannung, Lockerheit und Freiheit, mich zu zeigen, Flexibilität und Leichtigkeit, obwohl wir Geld, Unterkunft, Bus, Auto, Fuesse zum Laufen und eine Vespa hatten; mir fehlte das Erkunden einer neuen Gegend, obwohl wir es taten, oder das totale Erschlaffen am Meer, obwohl wir auch am Strand waren; die Orte, welche wir sahen, hinterließen bei mir einen zum Teil komischen Beigeschmack und die Zeiten der Siesta von 12-5 Uhr das Gefühl, durch Stadt-Attrappen zu laufen, deren Bewohner gekidnappt wurden. Mir fehlte die staunende und erfüllende Magie der Kleinigkeiten, obwohl sie in jedem Augenblick mit Daniela da ist und war... vieles, was ich sah, fühlte sich fuer mich nicht anziehend an. Es war sehr merkwürdig und ich denke, es hatte viel mit meinem eigenen inneren Zustand zu tun. Das ein oder andere schöne Foto ist dabei aber trotzdem entstanden.
Interessanterweise hatte ich nach dem Urlaub noch einen sehr ehrlichen Email-Austausch mit Flavio, dem Besitzer von L'ea di Lavru. Ungewöhnlich und doch war es scheinbar nötig ... Dieser Austausch fand schon im Urlaub seinen Nährboden und wir kamen heute zu einer schönen Übereinstimmung trotz unserer teils unterschiedlichen Wahrnehmungen:
Verurteile und schmälere nicht das individuelle Betrachten Deines Gegenübers auf das Leben – es darf anders sein – es muss deinen Weg weder erschweren noch erleichtern; Du kannst die Anregungen der Perspektiven schätzen und respektieren. Bleibe ehrlich Dir selbst gegenüber. Auch wenn man an Orte kommt, die man nicht wirklich kennt, kennen wird oder kennen will.
Galerie Urlaub Sardinien - Kamerabilder und Smartphonebilder
Im nächsten Blog (in nicht allzu langer Kürze) erzähle ich dann ein bisschen über das JAZZ JAM SESSION PROJECT LIMERICK, welches ich letztes Jahr gegründet habe und dessen diesjährige Saison sich dem Ende zuneigt im Oktober.
Ausserdem habe ich vor, endlich meine Bildergalerie über den Auto-Urlaub nach Deutschland vor 2 Jahren hier einzubinden. Es macht ja wirklich keinen Sinn, Bilder fuer Jahre ungesehen auf dem Computer zu speichern, bis dieser platzt :-) Und da man nicht eben mal schnell mit dem Fotoalbum vorbeikommen kann, nutze ich gerne die virtuelle Platform einer Diashow, auch als Erinnerung fuer mich selbst. Sicher werde ich dieses Jahr noch einen weiteren Besuch in Deutschland umsetzen und hoffe dann, den ein oder anderen von Euch vielleicht wiederzusehen...
Es gibt neben den bissigen Momenten meines Daseins auch schöne Projekte, wie z.B. die Entwürfe von Illustrationen eines weiteren Buches von Michael Anderson über eine Ratte namens Louis, an welchen ich gerade sitze... weiteres, wenn veröffentlicht :-)
Und ich freue mich, Euch endlich den Online-Shop fuer mein erstes verkäufliches Produkt an Herz zu legen. Besucht doch mal die LIGHTCUBES ! Vielleicht wäre das eine Option fuer ein noch nicht erworbenes Weihnachtsgeschenk oder Geschenk ueberhaupt !
Bis dahin ersteinmal wieder herzliche Gruesse von einem mit endlosem Regen benetzten Hügel des septemberlichen Irlands.
Birgit
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